WerkstattgesprächHandwerk trifft Politik
Die Ampelkoalition ist beendet und bereits im Februar wird neu gewählt. Grund genug, drängende Fragen, die das Handwerk in Südwestfalen bewegen, in einer Diskussionsrunde im Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer (HwK) Südwestfalen, dem bbz Arnsberg, zu thematisieren. Unter dem Motto "Handwerk trifft Politik" hatte die HwK zu einem Werkstattgespräch eingeladen, an dem vier heimische Politiker teilnahmen: Dirk Wiese (MdB, SPD), Matthias Kerkhoff (MdL, CDU), Carl-Julius Cronenberg (MdB, FDP) und Sandra Stein (Bündnis 90/ Die Grünen).
Moderiert von Uta Neumeister, verantwortlich für Standortpolitik bei der HwK Südwestfalen, bot die Veranstaltung eine praxisnahe und offene Plattform für den Austausch. Der Dialog fand mitten in der Kfz-Werkstatt statt, umgeben von Autos, die eine authentische Kulisse für die Themen bildeten, die das Handwerk bewegt: Steuerlast, Energiekosten, Nachwuchsgewinnung und Bürokratieabbau.
Steuerlast und Sozialabgaben: Entlastung als zentrales Thema
Ein Schwerpunkt war die hohe Steuer- und Abgabenlast für Betriebe und Mitarbeiter. Carl-Julius Cronenberg betonte: "Der Soli muss weg. Er ist mittelstands- und handwerksfeindlich." Auch sei die kalte Progression immer noch ein Ärgernis und gehöre dauerhaft abgeschafft. Matthias Kerkhoff ergänzte und zählte auf: "Wir haben zu hohe Steuern, wir haben zu hohe Sozialabgaben, wir haben zu hohe Energiekosten und wir haben zu hohe Bildungskosten." Das alles wirke sich zwangsläufig negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.
Sandra Stein habe zwar keinen Bierdeckel, auf dem sie das Steuersystem skizzieren könne, stellte dafür aber die Digitalisierung als Weg zur Vereinfachung der Steuererklärung in den Fokus. Andere Länder machen vor, wie es einfacher geht. "Da haben wir in Deutschland noch einen weiten Weg."
Dirk Wiese schlug vor, den Spitzensteuersatz später greifen zu lassen, um die Facharbeiterschaft zu entlasten und betonte die Notwendigkeit von Strukturreformen: Senkungen im Bereich der Rentenversicherung und im Gesundheitsbereich seien jedoch nur möglich, wenn man zu Kostenersparnissen komme.
Energiewende und Energiekosten: Handwerk als Schlüsselbranche
Beim Thema Energiewende und Energiekosten herrschte Einigkeit über die Herausforderungen. "Die Energiekosten in Deutschland sind zu hoch", sagte Carl-Julius Cronenberg. Sandra Stein plädierte für eine Senkung von Netzentgelten und Stromsteuer, um die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung wieder zu erhöhen. "Wir müssen deutlich machen, dass wir die Menschen dabei nicht alleine lassen." Dirk Wiese räumte ein, dass die Ampelkoalition zwar einige Fehler gemacht habe, jedoch nicht alles falsch gelaufen sei. Als positives Beispiel führte er die Unterstützung im Energiebereich nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine an. Matthias Kerkhoff wiederum hob die Bedeutung moderner Gaskraftwerke als Rückversicherung für erneuerbare Energien in Zeiten hoher Nachfrage hervor: "Der Strombedarf ist groß und kann nicht immer mit erneuerbaren Energien gedeckt werden."
Nachwuchsgewinnung und duale Ausbildung: Wertschätzung steigern
Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung war ein weiteres Kernthema. Carl-Julius Cronenberg betonte: "Die ganze Welt beneidet uns um die duale Ausbildung und versucht sie zu kopieren." Mit großer Sorge beobachte er jedoch, dass die akademische der dualen Ausbildung vorgezogen werde. Hier müsse mindestens eine Gleichbehandlung geschaffen werden. Sandra Stein forderte mehr Bildungsarbeit, um junge Menschen – explizit auch den Frauen – die Chancen im Handwerk aufzuzeigen. Matthias Kerkhoff betonte, dass junge Menschen nur dann für die duale Ausbildung, insbesondere im Handwerk, begeistert werden können, wenn man ihnen attraktive Angebote macht. Dazu gehöre es, nicht nur technisch auf dem neuesten Stand zu sein, sondern auch ein Umfeld zu schaffen, das Freude an der Ausbildung vermittelt. Angesichts eines Einwands von HwK-Präsident Jochen Renfordt, dass es immer wieder schwierig sei, insbesondere an Gymnasium für eine Berufsausbildung zu werben, schlug Dirk Wiese vor, sich parteiübergreifend in Südwestfalen diesem Thema anzunehmen.
Bürokratieabbau: Daueraufgabe mit Potenzial für Entlastung
Beim Thema Bürokratieabbau plädierten die Kandidaten für einen gemeinsamen Ansatz. "Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe", sagte Matthias Kerkhoff. Wenn man hier etwas verändern möchte, sollte sich die Gesellschaft die Frage stellen, ob sie tatsächlich eine umfassende Rundumabsicherung anstrebt oder bereit ist, an bestimmten Stellen auch das Risiko einzugehen, dass nicht alles bis ins Detail geregelt ist. Auch für Carl-Julius Cronenberg handelt es sich um grundsätzliches Problem. Ohne an die eigenen Schutz- und Sicherheitsstandards heranzugehen werde ein Bürokratieabbau nicht funktionieren. Dirk Wiese stellte klar: "Dicke Bretter müssen gebohrt werden." Er bricht aber gleichzeitig eine Lanze für die öffentliche Verwaltung, die eine sehr gute Arbeit leiste. Sandra Stein findet, dass man in Deutschland die besondere Fähigkeit besitze, Vorgaben die beispielsweise von der Europäischen Union kommen, besonders kompliziert umzusetzen. Sie sieht aber in der Digitalisierung ein großes Potenzial, Prozesse zu vereinfachen.
Schlusswort: Wofür sich die Politiker einsetzen wollen
Zum Abschluss formulierten die Podiumsteilnehmer persönliche Versprechen und vervollständigten den Satz: Um das deutsche Handwerk zu unterstützen, werde ich mich als Politiker dafür einsetzen, dass…
- Dirk Wiese: … Herr Renfordt und ich weiter eine Handwerkstour durch das Sauerland machen und gute Ideen aus den Betrieben mitnehmen, die wir dann in Berlin umsetzen.
- Sandra Stein: ... das Handwerk in Berlin gehört wird und das wir es wirklich schaffen, die bürokratische Last für das Handwerk zu senken.
- Matthias Kerkhoff: ... wir gut ausgebildete Menschen über das Schulsystem in die Betriebe bringen.
- Carl-Julius Cronenberg: ... die Menschen, die im Handwerk erfolgreich arbeiten, von Bürokratie und Steuern entlastet werden.
In seinem Schlusswort appellierte HwK-Präsident Jochen Renfordt, sich zukünftig nicht zu streiten wie die Kesselflicker: "Ihre Aufgabe ist es als Vertreter der vier demokratischen Parteien, dafür zu sorgen, dass wir nicht noch mehr Bürgerinnen und Bürger verlieren an Extremisten. Das ist die wichtigste Botschaft. Sie müssen rausgehen, ohne aufeinander einzuschlagen, um den Wählern klar zu machen, hier ist eine sinnvolle Zukunft – egal in welcher Konstellation."