HandwerkskunstDer Klang der Weihnacht
Ein klarer Wintermorgen, minus drei Grad. Die Felder und Wiesen sind von Raureif überzogen und schimmern im Licht der frühen Sonne. Das kleine Dorf Gellinghausen schmiegt sich mit seinen gerade einmal 100 Einwohnern in die umliegenden Hügel des Schmallenberger Sauerlands. Inmitten dieser winterlichen Idylle liegt ein Handwerksbetrieb, der tief in der Tradition dieser Region verwurzelt ist: Die Werkstatt des Orgelbauers Stephan Oppel.
Der Duft von Holz und die Magie der Orgel
Wer die Tür zum historischen Fachwerkhaus und damit zur Werkstatt öffnet, dem steigt der Duft von Holz und Metall in die Nase. Hier haucht Oppel mit seinem Team dem größten aller Musikinstrumente, bekannt als "Königin der Instrumente", neues Leben ein. "Eine Orgel hat besonders zur Weihnachtszeit etwas Magisches", sagt Oppel mit einem Blick, der seine tiefe Leidenschaft für seinGewerk verrät.
Sein aktuelles Projekt ist eine Orgel für die St. Marienkirche in Korbach. "Sechs Meter hoch wird sie am Ende sein", erklärt er, während er die Rohstruktur des hölzernen Orgelkorpus' in seiner Werkstatt betrachtet. "Da wird unsere Werkstatt schon einmal ein bisschen klein." Doch Oppel weiß sich zu helfen: Die Orgel wird in Teilen gebaut, dann auf Lastwagen verladen und direkt in der Kirche zusammengesetzt. Für Stephan Oppel und sein Team Routine – und das deutschlandweit und darüber hinaus. Der Beruf des Orgelbauers ist selten. Im Bezirk der Handwerkskammer Südwestfalen gibt es aktuell nur fünf Orgelund Harmoniumbauer. So kommt es, dass Oppel auch schon in Großbritannien, Spanien, der Schweiz, Österreich und sogar in Kiew Orgeln aufgebaut hat.
Romantischer Klang für das Kloster Marienstatt
Neben dem Projekt in Korbach erzählt der Orgelbauer von einem weiteren Auftrag im Zisterzienserkloster Abtei Marienstatt im Westerwald. Dort hat er eine über 50 Jahre alte Orgel erweitert und gemeinsam mit dem musikalischen Leiter des Klosters, Frater Gregor Brandt OCist, zu einem einzigartigen Instrument umgestaltet. Frater Gregor, der den Marienstätter Musikkreis leitet und die Konzerte der Abtei organisiert, kam vor rund fünf Jahren mit einem speziellen Wunsch zu Oppel: eine romantisch klingende Orgel – warm und voll im Klang, passend zur klösterlichen Atmosphäre.
Über viele Jahre hinweg hat Frater Gregor dafür zuvor englische Pfeifen aus dem 19. Jahrhundert gesammelt, ideal für dieses Vorhaben. Oppel und Frater Gregor wählten gemeinsam die passenden Pfeifen für die Register aus und der Orgelbauer bereitete sie in seiner sauerländischen Werkstatt auf. Seit Kurzem stehen die historischen Pfeifen samt neuem Korpus im Kloster und verleihen der Orgel in Marienstatt eine ganz besondere Note.
Die Intonation als Höhepunkt
Vor Ort führt Oppel die sogenannte Intonation durch – die präzise Abstimmung des Klangs auf die Akustik des Raumes. Dafür braucht er absolute Ruhe. "Selbst die Münze im Klingelbeutel kann mich da stören." Diese Feinabstimmung ist für Oppel stets der Höhepunkt eines jeden Projekts. "Es ist schon ein besonderer Moment, wenn die Orgel in voller Klangfarbe ertönt – aber auch die leisen Töne machen einen ganz eigenen Reiz aus."
Von der Kinderleidenschaft zum Beruf
Seine Liebe zur Orgel entdeckte der heute 51-Jährige als Kind. In Paderborn aufgewachsen, wo Kirchen dicht an dicht stehen, war er früh bekannt als »der Junge mit dem Fahrrad, der die Pfarrer fragt, ob er Orgel spielen darf«. Ein altes Harmonium seiner Tante brachte ihn im Alter von sieben Jahren zur Musik und weckte eine Leidenschaft, die bis heute anhält.
In den 1990er Jahren fand Oppel seinen Weg ins Sauerland, als er von einem Betrieb in Oberkirchen hörte, der ausschließlich mit massiven Hölzern arbeitete. Die Möglichkeit, in reiner Handarbeit Orgeln aus heimischen Hölzern zu bauen, war genau das, was er als junger Geselle suchte. Diese Erfahrungen halfen ihm, als er 2003 seinen eigenen Betrieb in dem Gellinghausener Fachwerkhaus eröffnete.
Orgelbau eine Handwerkskunst
Orgelbau, so Oppel, ist in erster Linie Handwerk. Natürlich sei ein musikalisches Gehör wichtig, doch Tischlerfähigkeiten sind ebenso wertvoll. Daher besteht sein Team auch aus zwei Orgelbauern und zwei Tischlern – eine Kombination, die Holz und Klang ideal verbindet. "Jede Orgel hat ihre eigene Sprache", sagt er. Diese Sprache zu sprechen, hat Oppel über die Jahre gelernt.
Weihnachten ohne Orgelklang ist kaum vorstellbar. Ob "Oh du fröhliche" oder Bach – auf der Orgel klingt alles festlich. Während Oppel durch die Werkstatt geht und von seinem Beruf erzählt, wird eines klar: Für ihn ist die Orgel mehr als nur ein Instrument. Sie ist ein lebendiges Kunstwerk, das die Menschen nicht nur zur Advents- und Weihnachtszeit berührt.